Es war einmal eine Zeit, in der Fahrräder die Straßen beherrschten, und der Wind durch die Speichen der Hochräder pfiff. In dieser glorreichen Epoche wurde ein Name geboren, der die Herzen von Radenthusiasten bis heute höher schlagen lässt: NSU. Der Name NSU, der ab 1892 als Markenname bzw. Markenzeichen verwendet wurde, ist ein Kurzwort für den Stadtnamen Neckarsulm, der sich wiederum von den beiden Flüssen Neckar und Sulm ableitet, die hier zusammenfließen. Die Geschichte der NSU-Fahrradwerke ist eine faszinierende Reise durch die Zeit, geprägt von technischen Innovationen, sportlichen Triumphen und einer Leidenschaft, die niemals erloschen ist.
Die Anfänge
Die Reise begann im Jahr 1873 in Neckarsulm, einer kleinen Stadt im deutschen Südwesten. Zwei visionäre Männer, Christian Schmidt und Heinrich Stoll, gründeten die „Mechanische Werkstätte zur Herstellung von Strickmaschinen“. Doch wie so oft im Leben führte ein unerwarteter Richtungswechsel zu einer völlig neuen Bestimmung. 1886, als das Fahrradfieber Europa ergriff, sattelten Schmidt und Stoll um und begannen mit der Produktion von Fahrrädern.

Die NSU-Werke um 1900; Quelle: Wikipedia; scanned by Joachim Köhler – Fr. Herzog: NSU 1873-1923 – Zum 50-jährigen Bestehen der Neckarsulmer Fahrzeugwerke Aktiengesellschaft Neckarsulm, NSU GmbH, Neckarsulm 1923 (Faksimile des Originals vom Januar 1987), Seite 10, NSU Motorenwerke (1900) Neckarsulm/Germany
Hochräder und Pedal-Pioniere
Die ersten NSU-Fahrräder waren Hochräder namens „Germania“ – diese majestätischen, aber schwer zu bändigenden Gefährte. Die mutigen Männer, die sich auf diese Drahtesel wagten, waren echte Helden der Landstraße. Mit jedem Tritt in die Pedale erzielten sie nicht nur Geschwindigkeit, sondern auch Bewunderung und Staunen.

Hochrad „Germania“ von 1886, erstes NSU-Fahrrad, nach englischer Lizenz gebaut, NSU-Museum
Foto: Rainer Ullrich, Quelle: https://www.fahrzeugbilder.de/bild/fahrraeder~sonstige~sonstige/118991/hochrad-germania-von-1886-erstes-nsu-fahrrad.html
Der Übergang zu Sicherheitsfahrrädern
Die Hochräder hatten ihre Zeit, doch der Fortschritt rollte weiter. NSU erkannte früh die Zeichen der Zeit und begann, sogenannte Sicherheitsfahrräder mit dem Namen „Pfeil“ zu produzieren. Diese Fahrräder, wie wir sie heute kennen, boten eine viel stabilere und sicherere Fahrt. Der Umstieg auf die Niederräder war ein kluger Schachzug, der NSU an die Spitze der Fahrradindustrie katapultierte.

NSU-Prospekt von 1925
Technische Meisterwerke
NSU war stets bestrebt, die Nase im Wind des Fortschritts zu behalten. Die Fahrradwerke entwickelten innovative Techniken wie die erste Rücktrittbremse und die Verwendung von Kugellagern, die den Fahrkomfort und die Sicherheit erheblich verbesserten. Jedes NSU-Fahrrad war ein Meisterwerk der Ingenieurskunst, eine perfekte Symbiose aus Form und Funktion.

NSU-Prospekt von 1939
Der Tour-de-France-Spirit
NSU-Fahrräder waren nicht nur technische Wunderwerke, sie wurden auch zu treuen Begleitern zahlreicher Radrennfahrer. Die Marke war auf den Straßen Europas ein Synonym für Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit. Unvergessen bleiben die Erfolge bei großen Rennen, bei denen NSU-Fahrer die Konkurrenz hinter sich ließen und auf ihren Stahlrössern in den Olymp des Radsports aufstiegen. 1936 kauften die NSU Motorenwerke die Opel-Fahrradwerke mit seiner Fahrradproduktion auf. Die Produktion wurde seitdem unter dem Namen NSU-Opel weitergeführt. Über diese Fusion schrieb ich bereits in meinem Beitrag über die Historie der Opel-Fahrräder.

NSU-Opel Fahrrad 28“, Bj.1937, Quelle: https://www.flickriver.com/photos/33794148@N02/3734962931/
Vom Fahrrad zur Motorisierung
Mit der Zeit änderten sich die Bedürfnisse und Wünsche der Gesellschaft. Der Motor surrte leise in den Herzen der Ingenieure, und die NSU-Werke wagten den Sprung in die motorisierte Zukunft. Ab den 1920er Jahren verlagerte sich der Fokus zunehmend auf Motorräder und später auch auf Automobile. Dennoch blieb das Fahrrad ein wichtiger Bestandteil bei NSU.

Polizei-Herrendienstrad der Firma NSU, um 1940, Quelle: Wikipedia
Das Ende der Fahrradproduktion
In den 1960er Jahren zog die Geschichte jedoch einen Schlussstrich unter die Ära der NSU-Fahrräder. Die Produktion wurde eingestellt, und der Fokus lag nun ganz auf motorisierten Fahrzeugen. Doch das Vermächtnis der NSU-Fahrradwerke lebt weiter. Die alten Räder, die noch heute auf Flohmärkten und in privaten Sammlungen auftauchen, sind Zeugen einer glorreichen Vergangenheit, die von Mut, Innovation und einem ungebrochenen Pioniergeist geprägt war.
NSU im Herzen der Fahrradliebhaber
Heute, Jahrzehnte nach dem letzten NSU-Fahrrad, sind diese Maschinen längst Kultobjekte geworden. Sammler und Liebhaber schätzen sie nicht nur wegen ihrer historischen Bedeutung, sondern auch wegen ihrer zeitlosen Eleganz und herausragenden Qualität. NSU-Fahrräder sind mehr als nur Fortbewegungsmittel – sie sind rollende Denkmäler einer Ära, in der das Fahrrad König war.
In einer Welt, die sich immer schneller dreht, bleibt die Erinnerung an die NSU-Fahrradwerke ein fester Anker. Sie erinnert uns daran, dass jeder Tritt in die Pedale ein kleiner Schritt in die Freiheit ist, und dass der Geist des Abenteuers in jedem von uns lebt – so wie einst in den Helden der Landstraße auf ihren NSU-Hochrädern.